E-health-Gesetz seit 1. Januar 2016 in Kraft – was nun?
Das E-Health-Gesetz wurde am 04. Dezember 2015 verabschiedet und ist seit Anfang 2016 gültig. Die meisten Menschen in den Praxen verbinden dieses Gesetz meist nur mit der verhassten eGK, einem weiteren Verwaltungsmehraufwand und enormen Kosten. Aber ist denn das wirklich so? Lassen Sie uns doch einmal darüber reden – ohne, dass Sie mich gleich in der Luft zerreißen.
Beginnen wir damit, dieses Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen aufzudröseln.
E-Health-Gesetz – Welche Punkte sind bisher benannt?
- Abgleich der Patientendaten – Die Praxis ist dazu verpflichtet, die Patientendaten zu überprüfen
Naja, das ist ein Punkt, den jede Mitarbeiterin wohl tagtäglich an der Rezeption bei der Patientenaufnahme abarbeitet. Wenn nicht sowieso schon das AIS oder ZIS mault, weil das, was auf der Karte steht nicht mit den Stammdaten im System übereinstimmt. Hinzu kommt die regelmäßige Abklärung von Telefon-, Handynummer und E-Mail-Adresse. Sowas ändert sich ja heutzutage doch mal öfter.
Das Gesetz sieht eine Online-Prüfung und Aktualisierung von Versichertenstammdaten ab 2018 vor. Na super! Das geht doch dann viel schneller und besser. Wie oft stehen Patienten mit Ihren „alten“ Karten vor uns: Umzug, Namensänderung …. entweder noch keine neue Karte, oder dieselbige schlummert zuhause noch im Briefkuvert – und nicht in Portemonnaie. Und wie oft stehen wir dann an der Anmeldung und fangen an zu überlegen: eigentlich sollen wir keine Pats mehr annehmen, die mit fehlender oder falscher Krankenversicherungskarte vor unserer Nase stehen. Tun wir aber nicht. Wir lassen Patient – oder tun es vielleicht sogar noch selber – bei der Kasse anrufen, um uns eine Versicherungsbescheinigung faxen zu lassen – um dann alles händisch in ein mehr oder weniger williges AIS oder ZIS einzuhacken. Yupp. Und wieder 10 – 15 Minuten vertan, die wir dringend für andere Dinge benötigen. - Notfalldaten auf Wunsch des Patienten auf der eGK gespeichert ab 2018
Finde ich als Allergiker zum Beispiel super! Was sagen denn da erst die Patienten mit Herzschrittmachern oder als ß-Blocker, Marcumar- und Acetylsalicylsäure-Therapierte? Bietet Ihnen als ZahnArzt*in die Möglichkeit nach Auslesen einer eGK (max. 5 sek) über solche Dinge nicht auch eine zusätzliche Sicherheit, wenn Sie über Vorerkrankungen Bescheid wissen? Hand auf´s Herz: Wie oft „unterschlagen“ Patienten ungewollt – weil sie gerade in dem Moment nicht daran denken – Erkrankungen und Medikamente, die sie einnehmen, oder wissen oft leider nur Farbe und Form? Keine Frage, eine ausgiebige Anamneseerhebung bei einem Neupatienten, die in dieser Form bei einem nicht allzu abschweifenden Patienten mindestens! 10 – 15 Minuten dauert, bringt auch Licht ins Dunkel. Eine Zwischenanamnese, die eigentlich bei jedem wiederholten Patientenkontakt in der Praxis von neuem erhoben werden sollte, braucht fast genau so lange. Wie war das mit der Zeit, die nicht gezahlt wird? Da ist es doch schon mal ein Anfang, wenn das Wichtigste schon da ist, oder? - Medikationsplan ab Oktober 2016
Der resultiert schon fast aus der oben aufgeführten Beschreibung. Ab 3 Medikamenten, die Patient verordnet bekommt, muss ein Medikationsplan ausgestellt werden. Keine Panik! Den haben Sie in ihrem AIS und ZIS schon lange drin – nutzen Sie ihn einfach jetzt schon. Ist sogar viel einfacher, als alles mit Hand auf´s Rezept zu schreiben. Voraussetzung: Eine softwareangepasste Dokumentation und Rezepterstellung. Was ich damit meine? Dauermedikamente sollten immer unter dem dafür vorgesehenen Zeilentypkürzel in der Karteikarte stehen. Rezepte sollten immer frisch und neu ausgestellt sein. Nicht ein Formular von anno dazumal immer wieder aufmachen, was neues reinschreiben oder das einfach ausdrucken, was da schon steht. Manche AIS und ZIS lassen das tatsächlich leider noch zu.
Was Patienten sich tatsächlich immer öfter wünschen, ist eine ganzheitliche Sichtweise auf ihren Körper. Und zwar von jedem Facharzt, der sie betreut. Schauen Sie doch mal in die Foren. Da erkennen sie den Tenor ganz deutlich. Und behalten Sie im Hinterkopf: Die wenigsten Patienten werden Ihnen beim Wechsel der Praxis vorher eine Ansage machen und Ihnen den Grund nennen. Aber ziehen über die Mund-zu-Mundpropaganda weitere 5 Leute ab, die dann auch wieder …. Also ist so ein Automatismus in Ihrem AIS/ZIS doch was Feines. Einlesen der eGK und einpflegen lassen von der MA – dann haben Sie den Rundumblick mit den Daten, die Ihnen die Kollegen überlassen für Ihren gemeinsamen Patienten. - eArztbrief – sofort mit Heilberufeausweis
Ahhhhh … wie lange wünsche ich mir diese Möglichkeit: Aus dem AIS/ZIS heraus mit ein paar Mausklicks einen schönen Arztbrief generieren, der dann datenschutzkonform – schlimmstenfalls also nicht per Mail von Hotmail- zu Google-Mail-Adresse – geschickt wird. Ich meine, diese Möglichkeit der elektronischen Versendung gibt es bei vielen Systemen schon lange, wird aber meist nur in ZahnÄrztenetzen genutzt. Zumindest der Arztbrief von Kollege zu Kollege.
Zum Patienten ist wieder eine andere Sache. Aber, entweder weiß es keiner – oder es ist momentan zu umständlich.
Ein weiterer Schritt zur Vernetzung – die meines Erachtens auf jeden Fall der Patientenbetreuung sehr dienlich ist. Siehe Ganzheitlichkeit. Sobald Sie über Ihren Heilberufeausweis verfügen, können Sie loslegen und pro eArztbrief Geld verdienen, nicht die Million, aber immerhin. Wie gesagt, von Arzt zu Arzt ist das oftmals schon jetzt möglich. - Patientenfach zu Beginn 2019
Gut, das ist einfach mal einen neuen Begriff in die Menge geworfen. Das hieß ja noch zu Beginn der Vernetzung über die eGK „Patientenakte“. Ich habe eine. Bei einem Anbieter, dem ich mein Vertrauen geschenkt habe. Wegen Datenschutz und so. Ich bin Frau über meine Daten. Ich pflege meinen Account (und glauben Sie mir, ich bin da echt pingelig, wo meine hochsensiblen Gesundheitsdaten liegen!), stelle meine Dauermedikamente, Laborberichte, Arztberichte da ein und gebe sie für den jeweils andere(n) betreuende(n) Arzt*in frei. Und die können alles in ihr AIS/ZIS mit 2 Mausklicks einpflegen. Ab 2019 sollen Patienten ihre Daten auch außerhalb der Arztpraxis eigenständig einsehen können. Ich höre schon förmlich den Aufschrei, alle „Feinde“ des/der gemeinen ZahnArzt*in haben nun vereinfacht Zugriff darauf – und das unter dem Deckmäntelchen, die Patienten sollen den Überblick behalten. Können wir uns mal ein paar Schritte wegbewegen von dieser Sichtweise, welche ich gut nachvollziehen kann? Könnte das nicht auch ein Schritt zu mehr Eigenverantwortlichkeit der Patienten sein? Keine Frage, eine Herausforderung an Patientenkommunikation. - Telemedizin ab Juli 2017
Da fallen vorerst die telekonsiliarische Befundbeurteilung von Röntgenaufnahmen und die Online-Videosprechstunde rein. Diese sollen in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen werden. Das wird Patienten die Kontaktaufnahme mit dem Arzt deutlich erleichtern, gerade bei Nachsorge- und Kontrollterminen. Gut, ich gebe zu, das passt nicht bei allen Diagnosen und in allen Fachrichtungen so einfach, wie es da beschrieben wird. Aber mir fallen zig Ideen ein, wie diese beiden Punkte geschickt und bequem in die Praxisabläufe integriert werden können. Natürlich auch mit Vorteilen für die Praxen. Und skypen wir nicht privat immer öfter, weil wir unseren Gesprächspartner auch sehen wollen?
Sie sind verwundert, wie positiv ich über diese Neuerungen schreibe? Wo doch alles auf neue und noch mehr Technik beruht? „Der ist es doch egal, dass wir dafür alle unsere EDV austauschen/erneuern/aufrüsten müssen“ – werden Sie mir am liebsten ins Gesicht schleudern wollen.
Jetzt ist ein Tässchen Tee angesagt – und weiter lesen. Ihre Systeme sind meistens schon dafür ausgerüstet. Das E-Health-Gesetz kam ja nicht von jetzt auf jetzt – Deutschland doktort da schon seit 2004 rum (im übrigen sind alle unsere europäischen Nachbarländer schon durch damit). Die Softwarehäuser haben ihre Produkte schon lange in die Richtung (vor)programmiert. Wie gesagt, eigentlich können viele von Ihnen schon loslegen. Und die meisten von Ihnen haben die EDV eh schon auf dem neusten Stand.
Ich weiß, die EDV hat eine Verfallszeit von mittlerweile – je nachdem, wie gut man beraten wurde bei der Anschaffung – von 2-7! Jahren. Und ja, man kann seine EDV tatsächlich auch so wählen, dass auch eine entferntere Zukunft noch etwas davon hat. Aber auch hier mal wieder Hand auf´s Herz: Sie kennen das doch von Ihren Medizintechnikgeräten, die sie gerne mal austauschen, weil es neue Features gibt. Oder privat Ihre Handys und Tablets. Was ist aber mit Ihrem Handwerkszeug zur Doku?
Früher waren es Griffel und Tafel, dann Kuli und Karteikarten und Karteikartenschränke und Meterweise Aktenordner und, und, und … jetzt haben Sie die Möglichkeit, alles in einer Kiste mit einer Datenbank zu haben, die von allen gewünschten Stellen in der Praxis schnell aufgemacht werden kann, um etwas heraus zu holen oder hinein zu legen. Das ist doch schon was Feines, oder? Unterlagen suchen – und die damit verlorene Arbeitskraft von Mitarbeiter*innen – adé.
Sie werden einen Invest haben – keine Frage. Und der heißt vor allem Zeit! Die Zeit, die Sie und vor allem auch Ihre Mitarbeiter*innen investieren sollten, um noch fitter im Umgang mit der EDV zu werden. Das fängt beim E-Mail-Programm an, über AIS/ZIS (da gibt es für viele wirklich noch so viele unbekannte Features, die einem den Tag erleichtern könnten) bis hin zu Office & Co. Klar, ist nicht immer ein Zuckerschlecken. Und manchmal wünscht man sich den Programmierer mit einem Sack Zement um den Hals an den See geschickt. Aber das Schöne ist: Sie kommen – die kleinen Unternehmen, die sich den Platzhirschen stellen. Ich habe in den letzten 15 Monaten so viele neue AIS/ZIS gesehen, die wirklich schon zu Beginn nicht an der Welt einer ZahnArztpraxis vorbei programmiert wurden. Oftmals browserbasiert. Am besten für die Zukunft finde ich persönlich sogar die Lösungen, die webbasierend sind. Das bedeutet, man ist betriebssystemunabhängig. Da braucht einem keiner mehr damit zu kommen, der PC/Server sei dafür ja eigentlich gar nicht mehr ausgelegt (weil mit 2 Jahren schon wieder zu alt) und man solle mal wieder einen neuen kaufen.
Übrigens, auch ich kloppe mich oft mit den Systemherstellern und deren Vertreiber. Weil ich weiß, wie es ist, in einer Arztpraxis zu arbeiten, und dass das Geld nicht auf dem Praxisfußboden herum liegt.
Ich bin auch ein kleiner Datenschutzfreak. Vor allen Dingen, wenn es darum geht, zunächst mal keinen Einfluss darauf zu haben, wer was von meinen persönlichen Daten zu Gesicht bekommt. Das wissen meine Kunden, die ich immer gerne auf Umsetzung von Datenschutz &Co. trainiere – und zwar so, dass es in die Abläufe passt. 100%ige Sicherheit wird es nicht geben, mit diesem „neumodischen Schnickschnack“ von onlinebasiertem, technischem Zeugs. Ich weiß aber, dass es für „Datenverlust“ keine virtuelle Welt braucht. Das geht auch heute auf konventionellem Weg sehr gut.
Seien Sie wie ich: kritisch, aber offen. Packen wir die Zukunft an – und lassen E-Health-Gesetz einfach nicht nur Gesetz sein.
Für Sie bin ich im Oktober 2015 in die Höhle des Löwen gegangen. In einer Veranstaltung, ausgerichtet vom Verlag „Arzt&Wirtschaft„, saß ich mit dem Vorstand der CGM, Herrn Uwe Eibich, dem GF des bvitg, Herrn Ekkehard Mittelstaedt, Frau RA´tin Kathrin Berger (Fachanwältin für IT-Recht) und aus Ihren Reihen Frau Tymiec, Gynäkologin und Präventionsmedizinerin in einer Talkrunde zum Thema eHealth-Gesetz. Wider Erwarten war es keine Lobhudelei der IT-Branche, in der wir „kleinen“ als schmückendes Beiwerk dazu gesetzt wurden. Herr Eibich und sein Gefolge hatten schon vor der Sendung – und auch danach noch – mit unserem Kritikpunktenkatalog zur Lage der EDV-ZahnArzt-Nation zu tun. Den Dialog fand ich sehr gelungen. Es wäre schön, wenn sich „die da oben“ viel öfter der Basis stellen würden. Dann stünde ihnen bei manchen Aussagen nicht der Mund ungläubig offen. Viel Spaß beim Schauen, und vielleicht haben Sie Lust mir mitzuteilen, wie Sie die Diskussion fanden?