ALEA JACTA EST | LASST UNS DIE SPIELE BEGINNEN
(erschienen in NZB 3/2014, S. 34 ff., Autorinnen: Diana Bernardi und Rechtsanwältin Melanie Neumann)
Geschafft, Praxis hat sich wacker geschlagen. Es wurde das AGG beherzigt, nach Stärken und Talenten, passend zu den bestehenden Teamrollen und mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen eine(e) neue(r) Mitarbeiter(in) ausgewählt. Arbeitsvertrag, bestenfalls individuell nach dem Entwurf der Kammern erarbeitet, nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt und unterschrieben. Jetzt darf in Jubel ausgebrochen und der ganze Bewerbungs-Papierkram entsorgt werden.
Oder doch nicht? Frau Neumann winkt schon aufgeregt und bietet Einhalt.
Ja, denn entsorgt werden dürfen Bewerbungsunterlagen auf keinen Fall! Ein potentieller Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, Bewerbungsunterlagen auf seine Kosten wieder zurückzusenden, wenn Bewerber nicht berücksichtigt wurden. Falls Bewerbungsunterlagen beschädigt werden oder gar verloren gehen, hat der Bewerber sogar einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, so dass er die Kosten für die Bewerbungsmappe und die Kopien ersetzt verlangen kann. Anders ist es jedoch, wenn es sich um eine Initiativbewerbung handelt oder der Bewerber eine Mappe eingereicht hat, obwohl ausdrücklich eine elektronische Bewerbung gewünscht war bzw. bereits in der Stellenausschreibung darauf hingewiesen wurde, dass Bewerbungsunterlagen nicht zurückgesandt werden.
Haben die Bewerber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens Personalfragebögen ausgefüllt und wurden persönliche Daten gespeichert, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Fra- gebögen datenschutzkonform zu vernichten und sämtliche Daten zu löschen, wenn die Stelle anderweitig vergeben wird.
Eine Ausnahme gibt es jedoch, und zwar dann, wenn Arbeitgeber und Bewerber vereinbaren, dass die Unterlagen bzw. Daten in den betriebsinternen Bewerberpool eingehen, um eventuell später nochmals berücksichtigt werden zu können.
Eine Weitergabe von Unterlagen an Dritte darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Bewerber erfolgen!
Die Vernichtung der Unterlagen bzw. Löschung der Daten sollte jedoch, wie bereits im letzten Teil unserer Serie erläutert, nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, um im Zweifelsfall den Hergang des Bewerbungsverfahrens nachvollziehen und nachweisen zu können.
Werden Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt, erhält der Bewerber in der Regel mit gleicher Post eine Bewer- bungsabsage. Früher konnte man als Arbeitgeber hier durchaus auf die Gründe der Absage eingehen. So mancher Bewerber war auch interessiert daran zu erfahren, weshalb es nicht geklappt hat. Schließlich könnte
es hilfreich für weitere Bewerbungen sein, Fehler künftig zu vermeiden oder sich beispielsweise zwischenzeitlich noch zusätzlich zu qualifizieren. Wer keine schriftliche Begründung für eine Absage erhält, telefoniert daher auch gerne nochmal nach, um zu erfragen, woran es lag. So nachvollziehbar es auch ist, dass Bewerber wissen möchten, weshalb sie eine Stelle nicht angeboten bekommen, so gefährlich ist es aber, ihnen diese Infor- mationen zu geben. Vielmehr sollte eine Bewerbungsab- sage stets neutral gehalten werden, denn unbedachte Formulierungen können leicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen und Schadenersatzforderungen von abgelehnten Bewerbern nach sich ziehen. Einzig bei der Ablehnung von schwerbehinderten Bewerbern sind Sie verpflichtet, die Entscheidung zu begründen.
Wie sollte eine Bewerbungsabsage also aussehen? Am besten bedanken Sie sich zunächst für die Übersendung der Bewerbung und teilen dann mit, dass die Bewerbung nach eingehender Prüfung der Unterlagen im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle aber leider nicht berücksichtigt werden kann. Gute Wünsche für die weitere berufliche Zukunft runden das Schreiben ab.
Wenn Sie all dies erledigt haben, können Sie sich endlich freuen, die perfekte Besetzung für die von Ihnen ausgeschriebene Stelle gefunden zu haben, und sich darum bemühen, die neue Mitarbeiterin/den neuen Mitarbeiter schnellst- und vor allem bestmöglichst einzuarbeiten.
Neuanfang ohne Schrecken und Ende
Der erste Arbeitstag für den neuen Kollegen/die neue Kollegin rückt an. Bereiten Sie sich mit ihrem Team darauf vor. Was soll denn da vorbereitet werden, fragen Sie sich? Hm. Der Respekt und die Höflichkeit gebieten schon mal ein freundliches Willkommen. Ich denke da an lecker Teilchen oder Kuchen, die man zusammen genießen kann. Planen Sie ruhig mindestens eine halbe Stunde dafür ein – ohne Patientenverkehr – und nutzen Sie diese Zeit sich untereinander vorzustellen. Fassen Sie als PraxisinhaberIn Praxisphilosophie, Ziele und bestehende Strategie noch einmal am Tisch zusammen.
Dadurch können Sie dieses fiese Gefühl, einfach ins kalte Wasser geworfen zu werden, verhindern. Schockstarre lähmt nun mal produktives Tun und Handeln.
Ich gehe davon aus, dass jeder im Team dem/der Neuen unterstützend zur Seite steht. Dennoch sollte eine Person in den ersten Wochen zum Ansprechpartner erkoren werden. Erstellen Sie einen strukturierten Einarbeitungsplan. Stellen Sie – oh Schreck, jetzt fällt das Unwort der letzten Jahre – ein QM-Handbuch zur Verfügung. Gehen Sie in kleinen Schritten vor und überprüfen Sie den Stand der Einarbei- tung in regelmäßigen Abständen. Passen Qualifikation und Erfahrung in den Einsatzgebieten? Braucht es noch etwas Zuspruch, Fort- oder Weiterbildung? Bitte hier nicht gleich an externe Geschichten denken. Es ist doch schon viel Wissen vorhanden in einer Praxis, also nutzen Sie es bitte in kleinen internen Workshops. Auffrischung kann jedem gut tun.
Führen Sie in den ersten Monaten ein paar Einzelgespräche mehr. Sie werden feststellen, dass Sie dadurch einen Benefit erhalten werden.
Ein Hochleistungsteam bilden und führen – das wird das nächste Thema sein.