… oder wie viel Praxis muss man haben?
Dieser vor einigen Tagen im Netz gefundene Artikel, aber auch die Kommentare, haben mich mal wieder veranlasst zur Tastatur zu greifen. Weil die Personalstruktur gerade ein Thema ist, welches mich in jeder Praxis irgendwie tangiert.
Praxis ohne Helfer (Quelle: FAZ.net, Artikel von Nadine Bös)
Kurz den Inhalt umrissen: seit ca. 20 Jahren praktizieren zwei Kinderärzte komplett ohne Personal, also keine MFA´s, und auch keine Putzfrau. Sie haben sich ein ausgeklügeltes System der Organisation ausgedacht, arbeiten im wöchentlichen Schichtmodell. Eine Woche arbeiten, eine Woche frei. Haben laut ihren Angaben 250 Scheine im Quartal. Was wahrscheinlich nicht erwähnt wurde, ist der Satz an Privatpatienten und wie viel IGeLeistungen noch erbracht werden. Ohne diesen Zusatz komme ich nämlich bei 250 Scheinen im Quartal auch auf die Idee, beider Familien hausen in Blechcontainern, ernähren sich von 2-3 Reisportionen am Tag und sind 2x jährlich im Schlussverkauf bei Primark.
Aber gut. Das soll hier nicht das Thema sein. Viel spannender finde ich, dass die beiden Ärzte komplett auf Personal verzichten. Wir erinnern uns – die Personalkosten sind in fast jeder Praxis der höchste Kostenfaktor in einer betriebswirtschaftlichen Auswertung. Eine Personalbedarfsplanung ist also eines der wichtigsten Punkte in einer Praxisführung.
Nicht jede(r) PraxisinhaberIN ist so gepolt, wie die beiden Kölner Kollegen. Dennoch frage ich mich manchmal, ist weniger nicht mehr? Nehmen wir einmal eine 1-2 Behandlerpraxis. Je nach Fachrichtung warten diese Praxen im Durchschnitt mit 4 – 7 Mitarbeiterinnen auf. Davon max. 2 Vollzeit, die anderen sind Teilzeit oder Azubis. Bitte nicht gleich dazwischen grätschen, ich weiß, es gibt Fachrichtungen, da geht es gar nicht ohne Assistenz, so z.B. Zahnärzte oder chirurgisch tätige Mediziner. Aber heißt es nicht auch, viele Köche verderben den Brei? Um so mehr Personal in einer Praxis arbeitet, desto unrunder läuft es – beobachte ich und haben viele Praxisinhaber das Gefühl.
Kommen wir mal kurz zurück zur Personalbedarfsplanung. Wie heißt es so schön:
Ziel der Personalbedarfsplanung ist es, die zukünftig erforderliche Mitarbeiterzahl eines Unternehmens in quantitativer, qualitativer, örtlicher sowie zeitlicher Hinsicht zu ermitteln.
Dazu gibt es sogenannte Schätzungsverfahren, Bedarfsprognosen und Trendverfahren. Am verbreitetsten sind wohl die Schätzungsverfahren. Darunter ist die mir am häufigsten in den Praxen bisher untergekommene die „einfache Schätzung“. Bei den einfachen Schätzungen basieren die Personalbedarfszahlen auf Schätzungen der Führungskräfte, die auf ihren Erfahrungen und internen Kennzahlen beruhen (z. B. Mindestmitarbeiterzahl, Fluktuationsrate, Krankenstand). Oder/und wie viele Mitarbeiter innerhalb des Planungszeitraumes mit welchen Qualifikationen benötigt werden. Die einfache Schätzung ist eine Pi-mal-Daumen-Geschichte. Auf Kennzahlen würde nur eine normale oder systematische Expertenbefragung basieren.
Nehme ich den Inhalt des Artikels als Grundlage, lese ich etwas heraus, was ich in vielen Praxen vermisse. Die beiden in Köln haben einen strengen Praxisablauf. Alle Aufgaben sind verteilt, jeder weiß genau, was er zu tun hat, die Kommunikation muss zwangsläufig perfekt ausgetüftelt sein. Wenn Sie einen Blick auf Ihre eigene Praxis werfen, können Sie einen solch perfekt optimierten Workflow und eine interne Kommunikation bei Ihnen bejahen? Bitte mal in sich gehen und ganz ehrlich sein – es bekommt ja keiner mit ;-)
Wer von Ihnen stimmt mir zu, dass die eigene Praxis bestimmt mehr Scheine und mehr Personal hat, aber das Gefühl einem sagt, dass es irgendwie nicht so funktioniert. In einem der Kommentare durfte ich lesen, was ich erwartet hatte unter den Antworten zu finden. Die Arztzeit sei ja viel teurer als eine Mitarbeiterinnenzeit. Das ist wohl wahr. Aber wie viel Arztzeit wird täglich darauf verschwendet mit Fragen beantworten, Fehler beheben, Kontrollfunktionen ausüben? Und wie viel eigene Energie geht flöten mit diesen Dingen? Wie groß ist der womögliche innere Frust, dass es nicht so läuft, wie Sie es gerne hätten?
Wäre es nicht sinnvoll als erstes zu überlegen, was ich genau von meiner Praxisarbeit erwarte? Wie will ich diese selbst ausführen? Will ich alleine, mit einem Kollegen oder mehren zusammen arbeiten? Was ist mein Ziel für mich selbst? Was bleibt dazu an Organisation zu optimieren? Um erst danach zu überlegen, wie viel sehr gut qualifiziertes Personal benötige ich dafür wirklich? Immer im Hinterkopf, um so durchorganisierter die Praxis, um so kürzer die Kommunikationswege, desto weniger müssen es sein.
Sie kennen das bestimmt auch aus Ihrer Praxis, wenn nicht – schätzen Sie sich glücklich! :-)
Ansonsten sähe ich in einer erneuten Personalbedarfsplanung jeder Praxis auch eine Chance für den Markt der Mitarbeiterinnen. Die Qualifikation kann erhöht werden. Damit steigt auch der Wert, der auf viele materielle Arten zusätzlich zu einem guten Gehalt belohnt werden kann. Was letztendlich zur Folge hat, dass die Praxis das Personal auch an sich bindet.